Farbpsychologie: Wie Farben unser Verhalten und Wohlbefinden beeinflussen

Die Farbpsychologie untersucht, wie Farben auf unser Verhalten und unsere Emotionen wirken. Diese faszinierende Wissenschaft zeigt uns, warum wir uns in einem blauen Raum anders fühlen als in einem roten und wie wir diese Erkenntnisse für unser Zuhause nutzen können. Obwohl die Farbforschung als Teil der Psychologie noch eine junge Disziplin ist, beeinflussen ihre Erkenntnisse bereits heute Design, Architektur und die Art, wie wir unsere Wohnräume gestalten.

Warum wirken Farben überhaupt auf uns?

Wenn wir eine Farbe sehen, nehmen unsere Augen eigentlich nur Lichtwellen unterschiedlicher Längen wahr. Das sichtbare Lichtspektrum bewegt sich zwischen 400 und 700 Nanometern (das sind winzige Maßeinheiten für Lichtwellen) und ermöglicht uns, alle Farbnuancen zu erkennen, die wir kennen.

Schon Johann Wolfgang von Goethe erkannte in seiner berühmten „Farbenlehre“, dass unsere Farbwahrnehmung nicht nur davon abhängt, was wir physikalisch sehen, sondern auch stark von unseren persönlichen Erfahrungen und Gefühlen geprägt wird. Diese wichtige Erkenntnis prägt die Farbforschung bis heute.

Farbdosen in verschiedenen Farben mit Pinseln auf Holztisch
Die bewusste Wahl von Wandfarben kann laut Farbforschung unser Wohlbefinden im eigenen Zuhause erheblich steigern. (Symbolbild: Freepik/KI).

Was die moderne Farbforschung entdeckt hat

Prof. Dr. Axel Buether von der Bergischen Universität Wuppertal gilt als einer der führenden Farbforscher Deutschlands. Seine Studien zeigen eindrucksvoll, wie Farben als Teil unserer Umgebung auf uns wirken können. In einer seiner bemerkenswertesten Untersuchungen arbeitete er mit Dr. Gabriele Wöbker, der Chefärztin der Wuppertaler Klinik für Intensivmedizin, zusammen.

Zwei Jahre lang untersuchten sie zwischen 2017 und 2018, wie sich farbige Raumgestaltung auf Patienten und Pflegepersonal auswirkt. Das Ergebnis war verblüffend: Patienten benötigten rund 30 Prozent weniger beruhigende Medikamente (sogenannte Neuroleptika), während sich die Arbeitszufriedenheit des Pflegepersonals um 12 Prozent verbesserte.

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Konkrete Farbwirkungen für Ihr Zuhause

Blau: Der natürliche Beruhiger

Studien aus Schottland und Japan (spezifische Quellenangaben in der Forschungsliteratur variieren) zeigen einen erstaunlichen Effekt: Blaue Straßenbeleuchtung kann tatsächlich die Kriminalitäts- und Selbstmordrate senken. Diese beruhigende Wirkung können Sie auch in Ihren eigenen vier Wänden nutzen. Blaue Farbtöne fördern die Entspannung und können zu besserer Schlafqualität beitragen.

Grün: Der Kreativitätsbooster

Stephanie Lichtenfeld von der Ludwig-Maximilians-Universität München führte eine aufschlussreiche Studie durch: Menschen, die auf Grünflächen blickten, entwickelten anschließend mehr und bessere Ideen. Ob als Wandfarbe oder als Bildschirmhintergrund im Homeoffice – grüne Farbtöne können Ihre kreative Leistungsfähigkeit steigern.

Rot: Energie mit Vorsicht zu genießen

Forscher der britischen Durham Universität untersuchten olympische Ringer und fanden heraus: Die rotgekleideten Athleten gewannen in 60 Prozent der Fälle gegen ihre blaugekleideten Gegner. Rot strahlt Energie und Dominanz aus, kann aber auch aufregend und stimulierend wirken. In Wohnräumen sollten Sie rote Akzente daher bewusst und sparsam einsetzen.

Die Cocktail-Party-Studie: Wo Menschen gerne bleiben

Das Team um den Psychologen Daniel Oberfeld führte die sogenannte „Cocktail-Party-Studie“ durch und untersuchte dabei die Wirkung von Wandfarbe auf das Verhalten von Gästen. Das Experiment ergab ein faszinierendes Ergebnis: Rot und gelb gestrichene Räume ziehen zwar mehr Partybesucher an, in blauen Räumen fühlen sich die Menschen jedoch wohler und halten sich folglich länger in ihnen auf. Diese Erkenntnis können Sie für die Gestaltung Ihrer Wohnräume nutzen – je nachdem, ob Sie Räume für kurze, energiegeladene Aufenthalte oder für entspanntes Verweilen schaffen möchten.

Person entspannt in blau gestrichenem Schlafzimmer mit Holzmöbeln
Blaue Farbtöne im Schlafzimmer fördern laut wissenschaftlichen Studien die Entspannung und können zu besserer Schlafqualität beitragen. (Symbolbild: Freepik/KI).

Die Pioniere der Farbpsychologie

Die Wurzeln der Farbforschung reichen weit zurück: Aristoteles definierte die ersten „Grundfarben“, Leonardo da Vinci erweiterte diese Erkenntnisse, und Isaac Newton bewies im 18. Jahrhundert, dass weißes Licht aus einem ganzen Spektrum verschiedener Farben besteht.

Eva Hellers bahnbrechende Studie

Die deutsche Forscherin Dr. Eva Heller (1948-2008) führte eine der umfangreichsten Studien zur Farbpsychologie durch, die je gemacht wurde. Sie befragte zwischen 1987 und 2004 insgesamt 1.888 Menschen zwischen 14 und 83 Jahren zu ihren Farbvorlieben und ließ sie 200 verschiedene Begriffe bestimmten Farben zuordnen. Ihr Buch „Wie Farben wirken“ gilt heute als Klassiker der Farbpsychologie.

Der Lüscher-Test: Was Ihre Lieblingsfarbevorlieben verraten

Der Schweizer Psychologe Max Lüscher entwickelte bereits in den 1940er Jahren ein Testverfahren, bei dem Menschen Farbkärtchen nach ihren Vorlieben sortieren. Seine wichtige Erkenntnis: Während alle Menschen Farben auf die gleiche physische Weise wahrnehmen, sind unsere Farbvorlieben höchst persönlich und individuell geprägt.

Warum Kultur und Erfahrung unsere Farbwahrnehmung prägen

Ein faszinierendes Detail der Farbforschung: Menschen können Farbtöne, für die sie konkrete Begriffe kennen, viel präziser unterscheiden. Kinder werden mit jedem neuen Farbwort, das sie lernen, genauer in ihrer Farbwahrnehmung. Auch kulturell entwickelten sich Farbwörter in einem erstaunlich ähnlichen Muster: Zuerst entstanden in allen Kulturen Begriffe für Schwarz und Weiß, dann für Rot, später für Gelb und Grün.

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Prisma zerlegt Sonnenlicht in buntes Farbspektrum an weißer Wand
Die Farbwahrnehmung basiert auf Lichtwellen unterschiedlicher Längen im sichtbaren Spektrum zwischen 400 und 700 Nanometern. (Symbolbild: Freepik/KI).

So nutzen Sie Farbpsychologie für Ihr Wohlbefinden zuhause

Moderne Forschung zeigt deutlich: Durchdachte Farbgestaltung kann Ihr Wohlbefinden erheblich steigern. Bei der Wahl von Wandfarben, Möbeln und Textilien sollten Sie sowohl wissenschaftliche Erkenntnisse als auch Ihre persönlichen Vorlieben berücksichtigen.

Natürliche Materialien als Farbgrundlage

Massivholz bringt bereits von Natur aus harmonische Farbtöne mit sich. Die warmen Braun- und Beigetöne von unbehandeltem Holz wirken erdend und beruhigend auf uns. Kombiniert mit bewusst gewählten Akzentfarben entstehen Räume, die sowohl optisch ansprechend als auch psychologisch wohltuend sind.

Jeder Raum hat seine ideale Farbstimmung

Die Funktion eines Raumes sollte bei der Farbauswahl immer mitgedacht werden. Während beruhigende Blau- und Grüntöne sich wunderbar für Schlafräume eignen, können aktivierende Gelb- und Orangetöne in Küche und Wohnzimmer für eine anregende, gesellige Atmosphäre sorgen.

Farbpsychologie heute und morgen

Die moderne Farbforschung nutzt zunehmend digitale Methoden und verbindet verschiedene Wissenschaftsbereiche miteinander. Das Deutsche Farbenzentrum an der Bergischen Universität Wuppertal arbeitet daran, Erkenntnisse aus Neurobiologie, Wahrnehmungspsychologie und praktischer Anwendung zusammenzubringen.

Die Farbpsychologie entwickelt sich stetig weiter und liefert wissenschaftlich fundierte Grundlagen für die Gestaltung von Lebensräumen, die nicht nur schön aussehen, sondern auch unser menschliches Wohlbefinden fördern. Für alle, die ihr Zuhause bewusst und durchdacht gestalten möchten, bietet sie wertvolle Orientierung.

Quellen zu diesem Artikel

Die folgenden wissenschaftlichen Quellen und offiziellen Institutionen bieten weiterführende Informationen zu diesem Thema:

  1. Spektrum der Wissenschaft / Farben: Farbpsychologie und Symbolik: https://www.spektrum.de/leseprobe/farben-farbpsychologie-und-symbolik/1841071
  2. Spektrum der Wissenschaft / Farbpsychologie: Rot bleibt im Kopf – Universität Regensburg: https://www.spektrum.de/news/rot-bleibt-im-kopf/1343027
  3. Bergische Universität Wuppertal / Prof. Dr. Axel Buether – Institut für Farbpsychologie: https://axelbuether.de/about/
  4. Deutsches Farbenzentrum e.V. / Farbpsychologie und Farbwahrnehmung – Bergische Universität Wuppertal: https://deutsches-farbenzentrum.de/category/farbpsychologie-und-farbwahrnehmung/
  5. MD-Magazin / Axel Buether – Hochschullehrer im Porträt – Studie Intensivmedizin 2017-2018: https://www.md-mag.com/menschen/lehrende/axel-buether/
  6. Psychologie Heute / Cocktail-Party-Studie – Daniel Oberfeld: https://www.psychologie-heute.de/leben/artikel-detailansicht/42728-locker-vom-hocker-die-psychologie-der-bar.html
  7. Universität Regensburg / Farben im Kontext von Gefahr und Sicherheit – Dissertation: https://epub.uni-regensburg.de/33832/4/2016%20Dissertation%20Farben%20im%20Kontext%20von%20Gefahr%20und%20Sicherheit_Künzer.pdf